Jan Svenungsson

Kohrt, Marlies. "Kunst du das verstehen?", in: BILD-Zeitung, 3.4.2000



Er ist 13 Meter hoch, gemauert und eigentlich zu nichts nütze. Der ziegelrote neue Schornstein im Prignitz-Dörfchen Drewen bei Kyritz. Nie wird Rauch aus ihm aufsteigen. Denn er ist ein Kunstwerk, steht auf morastigern Ackerboden und hat satte 300 000 Mark gekostet. Finanziert von Fördergeldern aus dem Kultur-Etat des Kanzleramts. Kunst du das verstehen?

"Schlot ohne Fabrik" hat derschwedische Künstler Jan Svenungsson (38) seine Schornstein-Serie genannt. Die Nummer eins steht in Stockholm, die zwei in Südkorea, die drei an finnischem Gewässer, die vier auf Brandenburger Acker und Nummer fünf soll in einen Wald gemauert werden. Eine künstlerische Idee, mit der die ehemaligen LPG-Bauern des 258 Seelen-Dorfes Drewen nichts anfangen können. Der Schornstein macht ihr Dorf nicht schöner oder hässlicher. Steht einfach einsam rum, hat nicht mal ein kleines Schild, das ihn als Skulptur preist. Und war sehr teuer.

Das Projekt ist vor vier Jahren ausgeheckt worden. Während der internationalen Brandenburgischen Kunsttage in Drewen. Der Schwede verknallte sich in die Landschaft, der ortsansässige Künstlerverein in seine Schornstein-Kunst. Und der Steuerzahler zahlt.

Warum hat die Behörde das Projekt eigentlich unterstützt? Dr. Manfred Ackermann, Referatsleiter beim Kulturstaatsminister Michael Naumann zur BamS: "Weil das Projekt bei uns unter Baumaßnahmen deklariert wurde, haben wir nicht erkannt, dass es sich bei dem Schornstein um ein Kunstwerk handelt."

- Kunst du das verstehen?

Marlies Kohrt

Hermann Becker (79)
"Die Esse hat mit unserm Dorf und der Landschaft überhaupt nichts zu tun. Nun steht sie rum. Was soll man damit anfangen?

Dietmar Lambert (42, Maurer)
"Mir gibt diese Kunst nüscht, keinem hier. Schade ums Geld. Was hätte man damit alles fürs Dorf machen können?"

Ralf Samson (40, Bürgermeister)
"Zur Einweihung waren nur vier vom Gemeinderat da. Diese Kunst ist eben schwer als Kunst zu verstehen."