Jan Svenungsson

Heymer, Kay. "Europe crumpled – 8 Gemälde und eine Landkarte", Acud press release, 2015


Das Werk des schwedischen Künstlers Jan Svenungsson ist von Gegensätzen gekennzeichnet, die seine Arbeit vordergründig gesehen zu zerreißen scheinen, weil sie unvereinbare und fremd nebeneinander stehende Elemente zusammenzwingen. Seine verschiedenen Werkgruppen – Gemälde, Schornsteine, Fotoarbeiten, Textarbeiten und vieles andere – wirken auf Außenstehende wie die Arbeit mehrerer Individuen oder einer multiplen Persönlichkeit. Jan Svenungsson hat keine Angst vor irgendeinem Medium, er nutzt alles, was geboten ist, und er arbeitet sich in die verschiedensten Technologien mit obsessiver Intensität und Genauigkeit ein. In dieser Ausstellung zeigt er acht Gemälde, die mit ihrer poetisch dicht aufgeladenen Langsamkeit überraschen und nachhaltig wirken. Sie überraschen, weil sie im Werk des Künstlers als ungewöhnlich freie und formal wie farblich reiche, reine Malerei auftauchen.

Die Serie dieser Gemälde, begann 2010, und die erste Ausstellung fand 2014 in der Galleri Flach in Stockholm mit dem Titel „The Secret Paintings“ statt. Die Gemälde nehmen im Werk des Künstlers eine Sonderstellung ein, weil sie einerseits mit großem Zeitaufwand und langsam entstehen, und andererseits vom Künstler selbst wie eine Art illegitimer Nebenbeschäftigung ins Spiel gebracht wurden. Sind die Gemälde also gleichzeitig sehr wichtig und völlig nebensächlich? In jedem Falle wirken sie zeitlos, nicht wie Bilder, die unbedingt in unserer Zeit entstehen mussten. Es könnten ebenso die Werke eines alten modernen Meisters aus den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts sein wie Werke eines Malers, der noch sehr jung ist und die Möglichkeiten des Mediums ganz unverbildet und unvoreingenommen erforscht. Jan Svenungssons Secret Paintings sind gleichzeitig frisch und unverbraucht, aber auch faszinierend enigmatisch. In ihrer Langsamkeit und andauernden Spannung sind sie Antagonisten der digitalen Überflutung unserer Wahrnehmung, Oasen der Kontemplation, Zeugnisse künstlerischen Urvertrauens ins Leben und in die menschliche Kreativität. Aber ist das wirklich so? Sind solche Gemälde heute noch möglich? Und wenn ja, für wen?

Jan Svenungsson nennt seine Ausstellung „Europe crumpled“, und er zeigt zusammen mit diesen gültigen, hoffnungsfrohen und positiven Malereien eine zerknüllte, riesige Europakarte, gezeichnet auf Papier. Schon früher hat Jan Svenungsson in Serien voneinander kopierter Landkarten auf die Veränderungen hingewiesen, denen Staatsgebilde und andere soziale Einheiten durch gesellschaftliche Wandlungsprozesse ausgesetzt sind. Die verblüffenden Verformungen von Staatsgrenzen, die sich in der künstlerischen Arbeit durch das fortgesetzte Kopieren unter Zulassung aller Fehler ergeben, wirken wie prophetische Aussagen über die politische Instabilität unserer Welt.

Jan Svenungsson reflektiert die gesellschaftlichen Bedingungen in seiner Kunst, ohne platte Propaganda oder sozialromantische Phrasen bemühen zu müssen. Indem er seine eigene Arbeit regelmäßig in Frage stellt, sie rigide überprüft und stets von neuen, überraschenden Blickwinkels aus neu beginnt, wobei er zwischen bedingungsloser, idealistischer Subjektivität und anonymer Überzeugungskraft changiert, ist sein Gesamtwerk ein unverwechselbar verdichtetes Symptom unserer Zeit, die sie sowohl überzeugend auf den Punkt darstellt als auch überwindet und in eine wesentlich länger anhaltende Sphäre ästhetischer Qualität überführt. Jan Svenungssons geheime Gemälde zeigen, dass es noch Hoffnung gibt, sie sind legitimer und überzeugender Bestandteil der großen avantgardistischen Tradition.

Kay Heymer