Jan Svenungsson

Andreae, Almut. "Sprachverwirrung im Kunstverein", in: Potsdamer Neueste Nachrichten, 11.7.2006

Im Brandenburgischen Kunstverein herrschen babylonische Zustände. Sprachverwirrung – und das gleich quadratmeterweise. „Oeuvres d’art finnir jag souvent problematiska dans la mesure ou en texte lätt peut uppvattas comme ersättning pour bilden“: Eine Kostprobe aus der Serie des schwedischen Künstlers Jan Svenungsson, die sich aus fünf großformatigen Buchstabenbildern mit dem Titel „Schwedisch-Französische Mitteilung 1-5“ zusammensetzt. An der gegenüberliegenden Wand gibt sich das Pendant „Deutsch-Englische Mitteilung 1-5“ nicht minder rätselhaft.

Ein bisschen Experimentierlaune sollte man als Besucher der am Wochenende eröffneten Ausstellung „Sprachverschmelzende Mitteilungen“ schon mitbringen, will man den tieferen Sinn hinter der geheimnisvollen Botschaft der zehn Leinwände ergründen. Sprachkenntnisse in Englisch und/ oder Französisch und Schwedisch bringen da auch eine Menge Punkte. Immerhin erwartet den Besucher der aktuellen Ausstellung im Kunstverein ein viersprachiges Experiment. Ausgedacht und umgesetzt durch Jan Svenungsson, der sich selbst in besagten vier Sprachen frei bewegen kann.

Vom Kunstverein zum Ausstellungsprojekt „Art + Science. Modell und Imagination“ eingeladen, hat sich Svenungsson an ein originelles Unterfangen herangewagt. Des Künstlers Rezeptur: Man nehme einen Text, übersetze ihn in drei weitere Sprachen und führe aus den so entstandenen vier Fassungen jeweils zwei von ihnen via Textverschmelzung zusammen. Jan Svenungsson verfasste einen kurzen Text, in dem er – passend zum Generalthema des Ausstellungsprojektes – das Verhältnis zwischen Kunst und Wissenschaft reflektiert, und überträgt ihn in die ihm vertrauten Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch. Dabei war er von dem sportlichen Ehrgeiz angetrieben, den Textumfang des Ausgangsmaterials im Endergebnis möglichst nicht zu überschreiten. Für seine sprachverschmelzenden Mitteilungen probierte der Künstler zwei verschiedene Methoden aus. Wie der Vergleich der beiden fünfteiligen Serien zeigt, steht am Ende ein gestalterisch durchaus unterschiedliches Resultat. Während Svenungsson in seiner deutsch-englischen Serie die Wortbestandteile aus beiden Sprachen zu regelrechten Worthybriden zusammenfügt, favorisiert er in der Vermählung der schwedischen Textfassung mit der französischen eine andere Strategie. An die Stelle der Sprachverknappung und Verschmelzung tritt hier das Austauschprinzip, bei dem wahlweise französisches und schwedisches Vokabular den Inhalt der künstlerischen Mitteilung transportiert. Die Bedeutung seines Textes, so Svenungsson, erschließt sich am besten in der Mitte des Raums, wo sich die Wirkung seiner Textbilder potenziert und ihn zum Sprachraum werden lässt.

Dr. Dirk Naguschweski, Sprachforscher am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin und selbst am Thema Sprachverschmelzungen immer nah dran, sorgt im Rahmen der Ausstellung für das wissenschaftliche Gegengewicht. Auf die 2 x 5 großformatigen Leinwände des Künstlers hat er aus der Perspektive des Linguisten feinsinnig mit einer zweifachen Fünfergruppierung von Informationstafeln reagiert. In Naguschweskis Präsentation wird Sprachwissenschaft in zehn ausgewählten Teildisziplinen ausschnittartig vorgeführt. Dergestalt fächert sich die sprachwissenschaftliche Wahrnehmung von Sprache nicht eindimensional sondern kaleidoskopartig auf. Kunst und Wissenschaft, so das polyglotte Fazit von Jan Svenungssons sprachverschmelzenden Mitteilungen, sind letztlich nicht austauschbar. Wohl dem, der diese Botschaft aus dem Buchstabendickicht herausfiltern kann!

Almut Andreae