Jan Svenungsson

"Das Neue", in: thema, Sonderbeilage in der Wiener Zeitung, Vienna 2015



Jeden Morgen, wenn ich ins Atelier gehe, hoffe ich, dass heute etwas passiert, das mich nach vorne bringt. Trotzdem kann ich nicht mit Sicherheit zeigen und sagen: vorwärts geht es in diese Richtung. Ich weiß nicht, wo Vorwärts ist – aber ich muss immer davon ausgehen, dass ich es tue.

Ich verbringe viel Zeit damit, Fragestellungen zu bearbeiten, die in meinen Bildern (oder Dingen oder Texten) zu einem Abschluss kommen sollen. Sie zu einem Punkt zu bringen, wo unabhängig von der Form, die Arbeit ihre Individuali- tät gewonnen hat und bereit ist, freigelassen zu werden. Wenn sich jedoch dieses Versprechen genau dort erfüllt, wo ich es erwartet habe, besteht das Risiko dass die Arbeit kein Erfolg sein wird. Es ist nicht nötig mit Farben, Werkzeugen oder Worten herumzuspielen nur um zu bestätigen, was bereits bekannt ist. Um diesem Wunsch nach zu kommen, reicht eine einfache Aussage wie: „nach X, folgt Y.“

Wenn wir Kunst machen versuchen wir alle auf unterschiedlichste Weise Situ- ationen zu schaffen in denen das Neue – neue Eindrücke, neues Wissen, neue Informationen, neuer Spaß oder neuer Schwermut – auf überraschende Weise erscheint. Die Sehnsucht nach dem Neuen ist der Motor, der Kunst und Künstler vorantreibt. Die KünstlerInnen unterscheidet nur wo, wie, mit welcher Häu gkeit und Intensität sie auf die Suche gehen.

Das Neue kann sich durch Fehler und Irrtümer enthüllen. Ein Grund warum ich die Arbeit mit analoger Druckgra k schätze, ist die Art, wie sie sowohl von der Planung komplexer Prozesse im Vorfeld als auch der Anwendung von handwerkli- chen Fähigkeiten abhängig ist. Die Hand muss tun, was das Gehirn geplant hat. Es wird immer Friktion geben, wenn nicht sogar Abweichung. Schließlich entsteht das Ergebnis durch den Einsatz von Maschinen. Das Verfahren ist analog aber keine Analogie. Fehler passieren. Überraschungen treten auf. Schließlich könnte das Neue erscheinen.

Jan Svenungsson